„Anima – Die Kleider meines Vaters“ am 21. Januar 2024
Dokumentarfilm des Monats
In ihrem Film erzählt Uli Decker die Geschichte eines über Jahrzehnte gehüteten Familiengeheimnisses. Was die Mutter nach vielen Ehejahren entdeckte und aus Liebe zu ihrem Mann weiterhin geheim hielt, erfuhren die beiden erwachsenen Töchter erst am Sterbebett des Vaters. Eine von ihnen, die Filmemacherin, beginnt, sich mit dieser Geschichte zu beschäftigen und deren Einfluss auch auf das eigene Leben zu hinterfragen.
Aufgewachsen ist der Vater im tiefsten Bayern wie auch später die Regisseurin in den achtziger Jahren in Murnau, einem malerischen Ort im Alpenvorland – imposante Kulisse, konservatives Weltbild, vom Katholizismus geprägt. Die vierköpfige Familie Decker, Vater, Mutter, zwei Töchter lebt in einer unscheinbaren Doppelhaushälfte, passt gut hinein ins vorherrschende Umfeld. Die Regisseurin empfand dieses Leben jedoch auch als erdrückend. Der Vater schien wiederholt an Depressionen zu leiden, sich hinter einer Fassade der Normalität schützend. Die Tochter hatte als Kind mehr Lust auf Abenteuer als auf Mädchenmode, verkleidete sich oft lieber als Junge. Schon früh rebellierte sie gegen die gesellschaftliche und familiäre Enge. „Es gab so eine Leere an Bildern zu positiver Weiblichkeit. Ich hatte keine Vorbilder, nur Fantasie“ sagt sie rückblickend in einem Gespräch. Sie liebt ihren Vater, der sich oft zurückgezogen verhält. Als er nach einem Unfall mit 63 stirbt, spricht die Mutter erstmals vom Geheimnis in der Familie.
In ihrem Film, an dem sie sechs Jahre lang gearbeitet hat, lässt Uli Decker den Vater mittels Tagebucheinträgen sprechen: „Mir geht es nicht darum, eindeutig weiblich zu sein, sondern im Transzendieren der männlichen Rolle meiner Seele Freiheit zu verschaffen“, sagt der Vater an einer Stelle. Indem die Regisseurin im Film auch ihre eigene Stimme zu Wort kommen lässt, tritt sie in einen späten Dialog mit ihrem Vater, der zu seinen Lebzeiten nicht möglich war.
Uli Decker spricht mit Freunden ihrer Familie, mit Nachbarn und Angehörigen, zeigt auf diese Weise das Umfeld ihres Vaters, sie arbeitet fantasievoll mit privaten Fotos, mit collagierten, gezeichneten und animierten Szenen „und macht so deutlich, dass das Private eben nicht nur privat, sondern zu einem wichtigen Teil auch öffentlich ist“ (epd-film.de/filmkritiken).
„Anima – die Kleider meines Vaters“ hatte beim Max-Ophüls-Filmfestival 2022 Premiere und gewann den Publikumspreis und den Jury-Preis für den besten Dokumentarfilm. Seitdem lief der Film auf zahlreichen Festivals, erhielt Auszeichnungen wie u. a. den Bayerischen Filmpreis und startete bundesweit in ausgewählten Arthouse Kinos.
Eine berührende Familiengeschichte, inmitten aller Tragik mit Humor und Leichtigkeit erzählt, ein von liebevollen Erinnerungen geprägter, zu Herzen gehender Dokumentarfilm
Spieldauer: 110 min., Buch und Regie: Uli Decker, Land: GB, Jahr: 2022